Eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim hat ergeben: Nein, ganz im Gegenteil! Männer erzielen in Verhandlungen deutlich bessere Ergebnisse als Frauen. Doch ist das die ganze Wahrheit? Seit den 1980er-Jahren gibt es spezifische Rhetorikratgeber, die sich ausdrücklich an Frauen richten. Dabei geht es vor allem um die Fähigkeit zur „agonalen Rede“, also auf das „Streiten“ausgerichtete Kommunikation. Dieser Kommunikationsstil wurde in der Berufswelt als explizit männlich und aggressiv wahrgenommen. Da wird von den Frauen gefordert die Sympathiefessel, die Bescheidenheit und das kooperative Gesprächsverhalten abzustreifen, um stattdessen die agonale Rhetorik als Modell beruflicher Kommunikation zu etablieren. Diesem Gedanken folgend, dürfte sich eine Frau nur mit einem männlich konnotiertem Kommunikationsverhalten in der Berufswelt durchsetzen. Muss die Frau demnach zum besseren Mann werden, um erfolgreich verhandeln zu können?
Muss die Frau zum Mann werden, um erfolgreich verhandeln zu können?
Neben dieser ausgeführten harten agonalen Perspektive der Rhetorik gibt es auch eine weiche Perspektive dieser Disziplin, eine auf Kooperation und Interessenausgleich ausgerichtete Rhetorik. Vor allem das Kommunikationsverfahren des Verhandelns – das als Königsdisziplin der Gesprächsführung gilt – erfordert nicht nur eine gute Portion an Durchsetzungsvermögen, sondern auch eine situationsabhängige kooperative Handlungsflexibilität. Ein guter Verhandlungsakteur muss sich demnach durchsetzen können, ohne dabei die Kooperationsbereitschaft des Verhandlungspartners zu verlieren.
Der Germanist Joachim Dyck – der die vermeintliche Verherrlichung weiblichen Sprechstils als kooperative Kommunikationsweiseweise kritisch ablehnt – würde konstatieren, dass der Konflikt zum Normalfall persuasiver Anstrengung gehöre und bei dem Begriff der wirkungsorientierten Rede notwendigerweise „Militanz“ und „Aggression“ mitschwingen würden (1989, Männerherrschaft als Sprachherrschaft? S. 102). Demnach müsse eine weibliche Verhandlungsakteurin einen männlichen Redestil adaptieren, um in Verhandlungen bestehen zu können. Doch hat Joachim Dyck recht?
Studie: Battle of the Sexes
Die Verhandlungsstudie der Universität Hohenheim widmete sich 2006 der spezifischen Fragestellung, ob Männer oder Frauen besser verhandeln würden. Insgesamt 120 Studentinnen und Studenten der Wirtschaftswissenschaften waren bei einem Verhandlungswettbewerb “Battle of the Sexes” als fiktive Einkäufer oder Verkäufer angetreten. Die zu verhandelnde Aufgabe war, für ihr fiktives Unternehmen jeweils die besten Geschäftsbedingungen herauszuschlagen. Dabei gab es 3 Teamvarianten: In einigen Verhandlungen verhandelten Männer und Frauen jeweils einzeln., in anderen Verhandlungen trafen entweder zwei Frauen auf einen Mann bzw. umgekehrt. In der dritten Variante traten Frauen- gegen Männerteams an. Die Verhandlungsergebnisse und das Kommunikationsverhalten der jeweiligen Teams wurden nach wissenschaftlichen Kriterien analysiert und ausgewertet.
Das erste Ergebnis der Studie mag auf den ersten Blick gerade heutzutage überraschen: Laut Projektleiterin Prof. Dr. Uta Herbst „schneiden Männer signifikant besser ab, als Frauen“. Selbst im Team lagen die durchschnittlichen Ergebnisse der Frauenduos unter dem Ergebnisdurchschnitt eines einzelnen männlichen Firmenvertreters. Doch dieses Ergebnis bezieht sich ausschließlich auf den monetären Gewinn als Ergebnisziel der einzelnen Verhandlungen. Im Bezug auf die Prozessziele der Kommunikationsfähigkeit und des kooperativen Verhandlungsklimas seien „die Frauen in der Kommunikation den männlichen Partnern überlegen“ fasste Prof. Dr. Mareike Schoop zusammen. Sie verstanden es besser, eine „gleiche Wellenlänge“ zu finden und nicht aneinander vorbeizureden. Auch erreichten sie durch „Deutlichkeit und Höflichkeit ein kooperatives Klima“. Das fördere vor allem eine langfristige, auf gegenseitiger Sympathie und Vertrauen beruhende Geschäftsbeziehung, die im Gegensatz zum schnellen Verhandlungserfolg stehe.
Frauen und Männer als Team
Die vorläufige Antwort auf die Eingangsfrage könnte demnach lauten: Männer verhandeln härter und Frauen diplomatischer. Als Ideallösung könnte sich eine Kombination der beiden Stile anbieten. Diesen Gedanken findet man in dem dritten Ergebnis des “Battle of the Sexes” wieder: Verhandlungsteams an sich erzielten bessere Ergebnisse als Einzelpersonen. „Im Duo kann man dem Partner auch mal den Ball abgeben und fühlt sich stärker”, interpretierte Marketingprofessor Markus Voeth die Zahlen. Des Weiteren zeigten sich die Frauen im Frauenteam „viel taffer und engagierter als alleine“, berichtete Prof. Dr. Uta Herbst. Demnach sind Frauen dann erfolgreich, wenn Sie im Teams auftreten, während Männer die besseren Einzelkämpfer sind. Vor allem gemischte Teams vereinen die jeweiligen Vorteile der weiblichen und männlichen Gesprächsstile: Die Eigenschaften eines durchsetzungsorientierten Einzelkämpfers kombiniert mit der Eigenschaft der beziehungsorientierten Diplomatie als eine Konstellation, die in der Verhandlungspraxis die strategische Möglichkeit eröffnet, im Team hart in der Sache und weich zur Person zu agieren.
Möglicherweise verhandeln Männer härter und ergebnisorientierter. Vermutlich aber ist der Kommunikationsstil vieler Frauen wesentlich zurückhaltender und diplomatischer. Welcher Ansatz besser ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt mit dem konkreten Kommunikationsziel zusammen. Wenn ein Unternehmen statt einem schnellem Verhandlungserfolg eine langfristige, auf gegenseitiger Sympathie und Vertrauen beruhende Geschäftsbeziehung sucht, führt nur der diplomatische Ansatz weiter.
Im Grunde, unabhängig ob aus Sicht der Frauen oder Männer, vereint eine Verhandlung aus rhetorischer Sicht die kontradiktorisch anmutenden Perspektiven der Agonalität und Kooperativität. Das Verhandlungsgespräch als ein rhetorisches Kommunikationsverfahren beinhaltet die beiden Perspektiven als notwendige Bedingungen für eine Verhandlungsdefinition: Verhandlungsakteure müssen per definitionem den Zweifel des agonalen Interessenkonfliktes akzeptieren, sollten aber gleichzeitig auf den gegenseitigen Kooperationswillen setzen, um zu einer einvernehmlichen Lösung kommen zu können. Entsprechende Prinzipien der Kooperation, die den Rahmen des Interessenausgleiches bilden, bedingen das Gelingen des Verhandlungsgesprächs. Innerhalb dieses Rahmens hätten dann die strategischen Kommunikationshandlungen ihren Platz.
Pingback: Besser verhandeln – kuratiert | Verhandlungsexperte
Ich denke, es kommt stark darauf an, mit wem man verhandelt und wie authentisch man dabei bleibt. Eine Frau, die im täglichen Geschäft erfolgreich einen weiblichen Kommunikationsstil pflegt und dann mit ihrem Vorgesetzen in der Gehaltsverhandlung einen männlichen, dominaten Kommunikationsstil anwendet, wird sicherlich eher für Irritation sorgen und nicht besonders glaubwürdig erscheinen, was sich wiederum auf das Verhandlungsergebnis auswirken wird.
Jedoch kann sie meiner Meinung nach problemlos in ein solches Kommunikationsmuster schlüpfen in einem anderen Zusammenhang, z.B. bei Verhandlungen mit einem neuen Lieferanten und damit auch sehr erfolgreich sein. Es ist immer einer Frage des Kontextes und des Gesprächspartners. Und am Besten performt in Verhandlungen meines Erachtens die Person, die zwischen verschiedenen Gesprächs- und Kommunikationsstilen (glaubwürdig) wechseln kann und sich optimal auf Situation und Verhandlungsgegener einstellen kann.
Darüber hinaus habe ich selbst sehr gute Erfahrungen mit Verhandlungsteams, die die Möglichkeit bieten, ganz bewusst unterschiedliche Rollen einzunehmen und so das Gespräch positiv zu beeinflussen. So kann eine verhärtete Verhandlungsphase durch einen Partner mit einem kooperativen Stil wieder ins Laufen gebracht werden und andersrum, wenn eine Verhandlung ins Unspezifische abzugleiten droht ein zielorientierten Partner wieder die Zügel anziehen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man in Teams auch die Chance hat, vorübergehend das Gespräch einer anderen Person zu überlassen und sich z.B. Gedanken über den nächsten Ansatzpunkt machen kann.